Ein Wunder
Ich atme tief ein und aus, als meine violettfarbenen Laufschuhe den sandigen Boden meines liebsten Waldweges betreten. Der Regen von heute morgen hat einen angenehm frischen Duft von Erde und Pinien hinterlassen. Ich spaziere entlang des Pfads, der mir so vertraut ist. Heute fühlt er sich allerdings verändert an. Obwohl sich dicke Wolken am Himmel befinden, ist die Stimmung des Waldes heiter, leicht und beschwingt. Sie erinnert mich an den Vorsatz, den ich mir zu Beginn der Jahreszeit gesetzt habe: Ich möchte wieder mehr nach den kleinen Wundern des Lebens Ausschau halten und mich an ihnen erfreuen. Als ich um mich schaue und versuche, meine Umgebung genauer wahrzunehmen, werde ich aauf das wunderschöne reflektierende Licht am Pfad aufmerksam. Ich nähere mich dem Licht und erkenne, dass es kleine glitzernde Sterne sind, die man sie normalerweise in einer Bastelkiste findet. Einige davon sind mit Sand bedeckt, die anderen liegen frei und strahlen richtig. Ich bleibe voller Bewunderung stehen. Je mehr ich mein Rundherum betrachte, desto mehr fallen mir Kleinigkeiten auf. Das ist etwa die Symphonie, die die vom See kommende Brise kreiert: Die trockenen Blätter rascheln, das Gras wiegt sich im Wind und die Pinien rauschen, während sie sich sanft nach vorne und wieder zurück nach hinten lehnen. Jeder einzelne dieser Musikanten trägt mit seiner individuellen Harmonie zu diesem ganz besonderen Lied bei. Plötzlich bewegt sich etwas in meinem Augenwinkel. Etwas Kleines bewegt sich flink auf mich zu. Ein Streifenhörnchen. Ich halte still und versuche nicht zu atmen, als es sich den Sternen nähert. Was es wohl darüber denkt? Als ich es genauer anschaue, entdecke ich den Glanz der Sterne in seinen Augen. Den Glanz, von dem mein Vater so gerne erzählt hat. Den Glanz, den er in unseren Augen gesehen hat, wenn wir neugierig oder aufgeregt waren. Kann es sein, dass die kleine Kreatur aus Bewunderung oder gar Aufregung stehen geblieben ist? Betrachtet es die unerwartete Schönheit, die sein Zuhause schmückt? Als sich das kleine Geschöpf wieder auf den Weg macht, atme ich klangvoll aus und erkenne, dass ich an diesem gewöhnlich erscheinenden Nachmittag etwas gelernt habe: Wunder sind schlicht weg überall zu finden.
Originaler Gastbeitrag von Anna Bonnema
Übersetzung aus dem Englischen: Katharina Geißler-Evans
Über Anna Bonnema: Anna kommt aus der USA. Sie liebt die Natur und Wörter. Auf ihrem Blog Building Blanket Forts zelebriert sie die gewöhnlichen Dinge im Leben.